Vor mehr als 30 Jahren hat die Einführung von Gates die Produktinnovations-Praxis revolutioniert, und die Erfolgsgeschichte von Stage-Gate® begann. Professor Dr. Robert G. Cooper, der Entdecker und Erfinder des Stage-Gate®-Prozesses, sieht die nächste Revolution kommen.

Agiles Projektmanagement, das in der Software-Entwicklung bereits Standard ist, gewinnt in der Entwicklung von physischen Produkten und auch von Dienstleistungen und neuen Geschäftsmodellen zunehmend an Bedeutung. Die Durchführung von Entwicklungsprojekten in Teams mit mehr Verantwortung und Freiheit, in getakteten Zyklen mit getesteten Ergebnissen verspricht flexibleres Reagieren auf Änderungen der Produktanforderungen und kürzere Time-to-Market.

Mittlerweile testen führende Unternehmen agiles Projektmanagement für Hardware-Produktentwicklungsprojekte mit großem Erfolg. In den meisten Fällen bekommen diese agil geführten Projekte einen Sonderstatus und somit vom Standardprojekt abweichende Rahmenbedingungen. Wie lassen sich aber agile Projektmanagement-Prinzipien institutionalisieren und mit den bestehenden Stage-Gate®-Systemen kombinieren?

Innovations- und Technologieführer wie Lego, ABB, Ericsson und Vodafone haben bereits damit begonnen: hybride Agile-Stage-Gate-Systeme entstehen.

Auf den ersten Blick scheinen einige agile Prinzipien jenen des klassischen Innovationsmanagements (z.B. Fokus und Trichter-Prinzip) entgegen zu stehen.

  • Das Trichterprinzip (zunächst in viele Ideen wenig zu investieren, um sukzessive die besten Projekte herauszufinden und dann in wenige Projekte viel zu investieren) ist Kern des Stage-Gate® Systems. Durch Projektbewertungen und go-stop-Entscheidungungen an den Gates sorgt es dafür, dass die Ressourcen auf die attraktivsten Ideen und Projekte fokussiert werden. Agiles Projektmanagement dagegen fokussiert ausschließlich auf die Art und Weise, wie ein einzelnes Projekt erfolgreich und schnell umgesetzt werden kann. Das Vorhandensein der notwendigen Ressourcen wird stillschweigend vorausgesetzt.

 

  • Agiles Projektmanagement fordert großen Handlungsspielraum für Projektteams. Das Team entscheidet selbst, welches die „richtigen“ Aktivitäten zu welcher Zeit sind. Somit trägt das Projektteam eine hohe Verantwortung für das Ergebnis. In einem Stage-Gate® System wird durch definierte „Deliverables“ klar vorgegeben, was das Team in welcher Projektphase zu erreichen hat. An den Gates wird die Qualität der Projektarbeit durch die Gatekeeper überprüft und damit „abgenommen“. Die Gesamtverantwortung des Projektteams für Projektergebnisse wird deshalb meist als geringer empfunden.

 

  • Im Stage-Gate® System definiert ein interdisziplinäres Team (Produktmanagement, Entwicklung, Produktion) gemeinsam, was das Wertversprechen des neuen Produkts / der neuen Leistung sein soll. Dieses Team soll dann auch die Entwicklung, produktionstechnische Umsetzung und Markteinführung des Produkts verantworten. Agiles Projektmanagement (und im Speziellen SCRUM) sieht die Rolle eines Product Owners (typischerweise der Produktmanager) vor, der für die Definition der Anforderungen an das Produkt und die Definition des Wertversprechens alleine verantwortlich ist.

 

  • Im Stage-Gate® System wird angestrebt, durch frühe und intensive Auseinandersetzung mit den Anforderungen der Kunden und Überprüfung der technischen Umsetzungsmöglichkeiten die Spezifikation des Produkts zur Freigabe der Entwicklung festzulegen und einzufrieren. Das agile Vorgehen ist stärker auf iterative Lernzyklen ausgelegt und somit offener auch für spätere Änderungen von Produkt-Anforderungen und Spezifikationen.

Die spannende Frage, mit der wir uns auseinandersetzen, lautet: Wie können wir das Beste aus beiden Welten miteinander kombinieren?

Prof. Robert G. Cooper hat hierzu pragmatische Ansätze von führenden Unternehmen studiert und seine Erkenntnisse in einem Fachartikel (veröffentlicht 2016 im Research-Technology Management) zusammengefasst. Lesen Sie diesen hier und erfahren Sie, wie ein hybrides System „Agile – Stage-Gate®“ dazu beiträgt, dass …

… das Neuprodukt stimmt: „Meistens wissen die Leute nicht, was sie wollen, bis man es ihnen zeigt.“ Die in dem berühmten Zitat von Steve Jobs angesprochene Herausforderung meistert der agile Ansatz durch frühes Kundenfeedback zu Vorzeigeprodukten oder –funktionen und iteratives Verbessern oder Feilen an der Lösung.

… Unsicherheit sinkt: Bei hoch innovativen Vorhaben kann weder die beste Marktforschung noch die sorgfältigste Risikoanalyse brauchbare Antworten liefern. Der Schlüssel liegt im kontrollierten Experimentieren, wie es die „Sprints“ in agilen Ansätzen ermöglichen. Das Lernen bezüglich Produktanforderungen ist dabei Teil des Lösungsfindungsprozesses.

… Fokus und Geschwindigkeit steigt: Schlüsselworte dazu sind „time-boxed“ und „dedicated“: Aufgaben sind in vorab definierten Zeitfenstern zu lösen. Innerhalb dieser Zeitfenster widmen sich die Teammitglieder ausschließlich diesen Aufgaben. Es gibt einen gewissen Zeitdruck, aber auch weniger Störungen und Unterbrechungen. Beides zusammen führt zu Konzentration auf das Wesentliche und somit zu besseren und schnelleren Ergebnissen.

Es soll an dieser Stelle aber auch nicht verschwiegen werden, dass es noch keine Standard-Lösungen gibt für Projektpriorisierung, Ressourcen-Management und Rollendefinitionen in einer agilen Innovations-Projektelandschaft. Wir arbeiten an solchen Modellen und freuen uns über Austausch dazu.