Augen zu und durch?! – Wie man sich im Innovationsdschungel todsicher verläuft

Endlich ist es so weit! Wir stehen am Rand eines dichten Urwaldes, den kaum ein Mensch je betreten hat. Das Sonnenlicht reicht nur wenige Meter auf dem schmalen Pfad vor uns. Was dahinter liegt, lässt sich von hier aus nur erahnen. Der Aufbruch zu einer Entdeckungsreise in den Dschungel, wo verborgene Schätze und versteckte Gefahren auf uns warten, steht direkt bevor. Alle sind euphorisch, gespannt, aufgeregt und ein bisschen nervös. Die Gruppe formiert sich, scharrt ungeduldig mit den Stiefeln. Der Expeditionsleiter hält eine kurze Aufbruchsrede und endet mit den Worten: „Es geht los. Ihr wisst, was zu tun ist.“

Auf das Kommando verbinden sich alle die Augen und beginnen vorsichtig tastend ihren Weg ins grüne Dickicht.  Leises Fluchen beim Versuch sich zu orientieren. Eine Teil-nehmerin hört einen dumpfen Schlag. Ist der Nebenmann gegen einen Baum gelaufen?  Kurz darauf streift etwas ihr Gesicht. Was war das?  Hinter ihr ein spitzer Schrei. Wurde etwa jemand gebissen? Ist in etwas hineingetreten?  Sie wird immer unsicherer. Es geht frustrierend langsam voran. Man stolpert ineinander, entschuldigt sich verschämt. Wissen die anderen eigentlich, wohin wir gehen? Drehen wir uns im Kreis?  „Warum tragen wir Augenbinden?“ fragt die junge Abenteurerin schließlich leise. „Das machen wir schon immer so,“ antwortet jemand hinter ihr. Diese Antwort erscheint ihr nicht ausreichend. „Aber wir sehen doch gar nichts!“  „Brauchen wir auch nicht,“ zischt es von rechts vorne. „Und jetzt Ruhe, das wird nicht diskutiert.“ 

*** 

„Intuition gibt es nicht.“ Die Worte hallen im Besprechungsraum nach. Die Entwicklerin rutscht verlegen auf ihrem Stuhl hin und her. Offensichtlich bereut sie ihren enthusiastischen Vorschlag, in der Entdeckungsphase der Innovation mehr auf ganzheitliches Denken zu setzen und auch intuitive Erkenntnisse zuzulassen. Der Forschungsleiter, der die Aussage eben voller Überzeugung von sich gegeben hat, lächelt milde und selbstzufrieden. Während sie noch überlegt, was sie entgegnen könnte, fährt er fort: „Und außerdem halte ich überhaupt nichts davon.“ Offensichtlich ist das Meeting damit beendet. Man verabschiedet sich und geht auseinander. 

Diese Situation, die sich vor einigen Jahren tatsächlich so abgespielt hat, illustriert die Praxis in vielen Unternehmen: Man setzt in der Innovation – auch in der Frühphase – ausschließlich auf den rationalen Verstand. Die Auswirkungen ähneln denen, die ein Expeditionsteam erlebt, das sich mit verbundenen Augen in den Dschungel begibt. Ein großer und entscheidender Teil an Informationswahrnehmungen wird völlig ausgeblendet und damit die Möglichkeit vertan, das Gesamtbild zu erkennen.  

In einem gewohnten Umfeld wie einem Büro oder Labor ist das kein Problem. Dort herrscht eine künstlich geschaffene Ordnung, alles steht immer am selben Platz. Es gibt Abläufe und Prozesse, die es erlauben, sich mit schlafwandlerischer Sicherheit fortzubewegen, ohne über etwas zu stolpern oder sich den Kopf anzuschlagen. Zu entdecken gibt es hier ohnehin nicht viel Neues. In einer unbekannten und unerforschten Umgebung hingegen, die sich noch dazu ständig verändern kann – sei es durch Witterung, andere Lebewesen oder Vegetation – sind wir aufgeschmissen, wenn wir nicht unsere volle geistige Kapazität nutzen, um Kontext zu unseren Wahrnehmungen herzustellen, in ihnen Bedeutung und Sinn zu erkennen und daraus angemessenes Handeln abzuleiten. 

Wenn also im Urwald gilt „Augen auf!“, dann gilt in der frühen Phase der Innovation „Intuition an!“ 

Der Begriff Intuition leitet sich vom lateinischen Wort intueri (genau hinsehen, anschauen, nach innen schauen) ab und beschreibt die Fähigkeiten Einsichten zu gewinnen und Entscheidungen zu treffen ohne den diskursiven Gebrauch des Verstandes, also ohne bewusste Schlussfolgerungen. Wir alle kennen sie aus eigener Erfahrung, ob als Bauchgefühl, Gespür, Ahnung oder Geistesblitz. Sie ist ein essenzieller Bestandteil unseres Lebens und vor allem jeder kreativen Entwicklung. 

Gerade in komplexen, unübersichtlichen Situationen ist Intuition unserem linearen Denken überlegen, da wir mit ihr nicht nur weit mehr Eindrücke aufnehmen, sondern sie auch wesentlich schneller verarbeiten können. Wahrnehmung und Verarbeitung geschehen dabei weitgehend unbewusst, bewusst wird uns lediglich das Endergebnis. Und genau damit scheinen wir uns in einer von den Errungenschaften der Aufklärung geprägten Kultur schwer zu tun: 

  • Wie viele Innovationsprojekte werden schon in der Konzeptphase aufgegeben, weil es keine Kundendaten dazu gibt? Da kann die Marketing-Expertin noch so stark den großen Erfolg wittern, sie bekommt häufig nicht einmal das Budget, um ihren Riecher für den zukünftigen Markt zu überprüfen. Im Zweifel stellt sich ihre Intuition erst dann als richtig heraus, wenn der Mitbewerber das Konzept umsetzt und damit Umsatzrekorde einfährt. 
  • Nicht viel besser ergeht es dem Innovationsmanager, der bei einer technischen Anpassung im neuen Produkt, die aus wirtschaftlichen Gründen vorgenommen wird, allergrößte Bauchschmerzen hat. Da die Entscheidung rechnerisch einwandfrei begründet und damit bereits gefallen ist, beißt er sich auf die Zunge und hofft das Beste. Kaum im Markt, stellen bereits die ersten Kunden fest, dass diese Lösung nicht einmal ansatzweise hält, was sie verspricht. Der Launch wird ein riesiger Flop.   
  • „Ich kann es nicht begründen, aber ich habe da so ein Gefühl.“ Mit einer solchen Aussage geben wir uns in der Arbeitswelt in den meisten Fällen der Lächerlichkeit preis. Was nicht belegbar und rational nachvollziehbar ist, wird meist ignoriert. 

Komplett konträr dazu sind allerdings ernst zu nehmende jüngere Forschungsergebnisse. „Wir sollten auf unsere Intuition vertrauen, wenn wir über Dinge nachdenken, die schwer vorherzusagen sind und über die wir wenig Informationen haben,“ schreibt der Psychologe Prof. Dr. Gerd Gigerenzer, Direktor des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung, als Fazit in seinem Buch Bauchentscheidungen. 

Genau so stellt sich der Dschungel der Frühphaseninnovation dar. Wir wissen wenig, und das Gesamtbild ist komplex. Das kann leicht verunsichern und dazu verleiten, Sicherheit in der vermeintlichen Verlässlichkeit der rationalen Verarbeitung von Fakten zu suchen.  

Zu finden ist sie dort aber nicht, sondern vielmehr da, wo Viele sie am wenigsten vermuten. Gigerenzers jahrzehntelange Forschung hat gezeigt, dass in Szenarien, die die Zukunft betreffen, intuitiv angewendetes gesundes Halbwissen wesentlich erfolgreichere Entscheidungen hervorbringt als ein hohes Maß an Wissen. Das klingt zunächst überraschend. Ein einfacher Grund dafür ist laut Gigerenzer, dass bestehendes Wissen sich immer auf die Vergangenheit bezieht und damit auf Umweltstrukturen, die sich dynamisch verändern können, also in Zukunft möglicherweise nicht mehr gültig sind. Als besonders erfolgreich haben sich in solchen Szenarien Entscheidungen erwiesen, die von Mehreren gemeinsam getroffen wurden. „Die kollektive Intelligenz, die auf individuellem Unwissen beruht, kann sogar Expertenwissen übertreffen,“ stellt Gigerenzer fest. 

Viel besser als Intuition komplett außen vor zu lassen, wäre es also sie zu nutzen – und zwar nicht anstatt unseres rationalen Verstands, sondern in Ergänzung dazu.  

„Anschalten“ müssen wir unsere Intuition übrigens gar nicht. Es gibt zwar Möglichkeiten einen intuitiven Flow zu befördern (dazu mehr in den kommenden Dschungelgeschichten), aber meist reicht es schon, sie nicht zu verdrängen oder zu übergehen. 

Das Abnehmen der Augenbinde im Frühphasendschungel kann also recht einfach sein. Wenn wir unserer Intuition besser zuhören wollen, dann müssen wir ihre Sprache verstehen. Sie äußert sich auf vielfältige Arten, vom unangenehmen Gefühl über das sichere Gespür, zum klaren Bild oder der plötzlichen wissenden Einsicht. Wenn es uns gelingt, diese Botschaften (wieder) wahrzunehmen und ernst zu nehmen, dann können wir auch (wieder) lernen ihnen zu vertrauen. 

Die simpelste Art, diese Entwicklung zu unterstützen ist ein Intuitionsnotizbuch. Wählen Sie am besten ein kleines Format, das sie immer bei sich tragen können. Notieren Sie alles, was Sie für intuitive Wahrnehmungen halten. Schreiben Sie auf, was Sie wahrnehmen und auch Ihre Interpretation dieser Intuition – aber nur, wenn Sie spontan eine haben. Was wollte Sie Ihnen sagen? Welche Handlung leiten Sie daraus ab? Wichtig dabei: Analysieren Sie nicht zu viel. Verlassen Sie sich auf Ihre ersten, spontanen Gedanken und notieren Sie diese. Nach einigen Tagen bis Wochen können Sie Ihre älteren Notizen noch einmal prüfen und evaluieren, welche der „Eingebungen“ hilfreich waren und inwiefern. 

Welche Arten von Intuition es gibt, wann sie uns am meisten helfen, und wie wir sie in der frühen Innovationsphase am besten nutzen können, darum geht es in unserer nächsten Dschungelgeschichte. 

Welche Erfahrungen und Erlebnisse haben Sie mit Innovation und Intuition? Wir freuen uns über Ihre Beiträge – unter dschungel@five-is.com 

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Was ist eigentlich Kreativität und brauchen wir sie überhaupt? 🎨

Schon vor etlichen Jahren las ich eine Definition zum Begriff Kreativität, die für mich immer noch gilt. Sie ist von dem amerikanischen Kreativitäts-Experten Michael Michalko:

Kreativität ist…

✅…zu sehen was andere nicht sehen.

✅…zu denken was andere nicht denken.

✅…zu finden wonach ich nie gesucht habe.

 

✅…zu sehen, was andere nicht sehen.

Kreativität ist mehr als das Denken in Ideen und Lösungen. Kreativität ist auch, mit offenen Augen durch die Welt zu gehen und tatsächliche oder mögliche Probleme zu sehen. Kreativität bedeutet, die uns umgebende Wirklichkeit aufzunehmen, die Menschen in ihrem Tun und Nichttun wahrzunehmen und (an)zu erkennen. Ohne das Bedürfnis, das Gesehene zu kommentieren, zu bewerten, einordnen zu wollen oder gleich mit der vermeintlichen Lösung zu kommen. Kreativität als Fähigkeit, das Leben und seine Herausforderungen „nur“ wahrzunehmen und zu erleben.
Hammerharte Übung! 💪🏻

✅…zu denken was andere nicht denken.

„Alle sehen gleich aus, irgendwie individuell“, singt Rainald Grebe in seinem Lied über die Leute in Prenzlauer Berg. Denken wir wirklich neue Ideen oder denken wir doch eher das, von dem wir glauben, dass wir es denken sollen? Weil man eben gerade so denkt bzw. dieses Denken (angeblich) von uns erwartet wird? Denken wir wirklich neue Ideen oder denken wir doch eher das vermeintlich Einfache, schnell Umsetzbare, Risikoarme, Kostengünstige, …? Klingt verwirrend? – Ist es auch, denn Denken kann verwirren. 😉
Der Anspruch, tatsächlich zu denken, was andere nicht denken, es zumindest zu probieren und zuzulassen, wenn es gelingt oder andere es tun, ist schon hohe Schule der Kreativität. Denn Konformitätsdruck, Erwartungshaltung und nicht zuletzt unser eigener Kritiker sind hier extrem starke Gegner! 💭

✅…zu finden wonach ich nie gesucht habe.

Spätestens jetzt kriege ich eine Gänsehaut. Denn hier findet sich für mich der wahre kreative Geist. Hier geht es darum, loszulassen und sich von Ideen finden zu lassen, statt krampfhaft nach ihnen zu suchen. Loszulassen und Ideen zu entdecken, statt angestrengt nach (oftmals) gedanklich vorgefertigten Lösungen zu suchen. Es geht darum, sich inspirieren zu lassen, im reinsten Sinne des Wortes offen zu sein für Neues. Es geht um die Fähigkeit zu erkennen, dass da etwas Großes, Interessantes, Vielversprechendes sein kann. Etwas, von dem wir noch gar nicht wissen, dass es da ist, das aber zu uns passt, wenn wir uns von ihm finden lassen.
Es geht um kreatives Denken ohne Auftrag. Es geht um die Freude am kreativen Denken, ganz ohne Grund. Wenn wir das können, wenn wir die Welt in all ihren Möglichkeiten erleben und gleichzeitig an uns und unsere Fähigkeit, kreativ zu sein, glauben, dann finden wir, wonach wir nie gesucht haben. Und erarbeiten uns damit schier endlose Möglichkeiten an neuen Ideen! 💡

Deshalb brauchen wir Kreativität, oder nicht? 🚀

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Vegane Pflanze entdeckt und trotzdem ernst genommen – warum psychologische Sicherheit für Innovationen so wichtig ist

Die Aufgabe: Neues im Innovationsdschungel erforschen. Das richtige Team für die Expedition hatten wir bereits in der letzten Dschungelgeschichte (Plantagenmanager und junge Wilde) zusammengesetzt. Wir wollten es schon auf den Weg schicken, als uns siedend heiß einfiel, dass für dieses Vorhaben noch etwas Wichtiges fehlt. Um gemeinsam bestmöglich auf Unerwartetes – Gefahren genauso wie Chancen – reagieren zu können, muss der Beitrag jedes einzelnen Teammitglieds wirken können.

Die Voraussetzung dafür liefern die Zauberworte „psychologische Sicher­heit“ im Miteinander. Das bedeutet: Alle im Team können darauf vertrauen, dass kein anderes Teammitglied sie verach­tet, bloßstellt oder bestraft, wenn sie einen Fehler machen, eine Frage stellen oder eine Idee einbringen. Angesichts der äußeren Unsicherheit des Früh­phasendschungels ist innere Unsicher­heit im Miteinander besonders fatal. Es gilt schließlich, sich in unbekanntem Terrain zurechtzufinden und dort als Team nicht nur zu überleben, sondern zu gedeihen.

In unserem frisch zusammengestellten Expeditionsteam haben wir nun Menschen mit vielfältigen Erfah­rungshintergründen und Begabungen (siehe Plantagenmanager und junge Wilde). Was dabei im Miteinander schief gehen kann, haben die meisten von uns im Alltag schon erlebt. Da wird die Bastlerin gescholten, weil ihre schnelle Behelfslösung nicht so gut funktioniert wie man das von zuhause kennt, oder dem Späher wird erklärt, er bilde sich die Gefahr nur ein, weil die anderen noch nichts erkennen können. Der Vorschlag der Sprachtalentierten, mit einem neuen Stamm von Urwaldbewohnern Kontakt aufzu­nehmen, wird weggewischt mit der Begründung, man wisse doch schon alles, was es zu wissen gibt. Der Mundharmonikaspieler bekommt zu hören, er solle es mit seinen Kaspereien am Lagerfeuer jetzt mal gut sein lassen, man habe Wichtigeres zu tun.

Solches Verhalten verhindert, dass der individuelle Beitrag aufgenommen und genutzt wird. Zudem bewirkt es, dass die Betroffenen sich in Zukunft wenn überhaupt nur noch zurückhaltend einbringen. Da überrascht es nicht, dass in einer Studie von Google einwandfrei gezeigt werden konnte, dass selbst hochqualifizierte und scheinbar ideal zusammengesetzte Teams mit einem geringen Grad an psychologischer Sicherheit weit hinter den Hochleistungsteams zurückbleiben.

“Schaut mal, ich habe eine vegane Pflanze gefunden!” klingt komplett bescheuert? Nur so lange bis sich herausstellt, dass es sich um die Entdeckung der ersten pflanzenfressenden Pflanze handelt, für die sich sogar eine vielversprechende Nutzung abzeichnet (Näheres dazu hier)!

Die Pionierin der Erforschung von psychologischer Sicherheit, Harvard-Professorin Amy Edmondson, gibt einen wertvollen Hinweis, wie die dazu notwendige innere Haltung im Team entstehen kann. Als Grundlage dafür sieht sie die Fähigkeit, in Bezug auf neuartige Situationen und Herausforderungen mit Demut zu reagieren – sich also einzugestehen, dass man die Lösung (noch) nicht kennt. Was zunächst banal klingt, ist nicht nur für das persönliche Erleben ein Paradigmenwechsel, sondern auch für die Definition von Erfolg. Unter dieser Prämisse wird eine Herausforderung nämlich nicht als Aufgabe betrachtet etwas umzusetzen oder zu “abzuliefern”, sondern als Lernaufgabe, in der es gilt gemeinsam den besten Weg zu entdecken.

Aus einer Expedition zu einem vorgegebenen Ziel, die möglichst schnell mit möglichst vielen nutzbaren Schätzen zurückkommen soll, wird dann eine Forschungsreise in den Dschungel, die mit Neugier und Begei­sterung angetreten werden kann. So weichen Druck und die Angst vor dem Scheitern dem Entdeckergeist. Wenn sich die Neugier und Offenheit nicht nur auf das Terrain beziehen, sondern auch auf die Perspektiven, Talente und Ideen der anderen Teammitglieder, schöpft das Team sein volles Potenzial aus. Dann werden nicht nur alle gehört, sondern gestalten auch Entscheidungen gemeinsam. So kann ein Miteinander wach­sen, in dem die Beiträge aller sichtbar und wirksam werden können und ungeahnte Möglichkeiten entstehen dürfen.

Falls Sie sich jetzt fragen, wie das, was hier so einfach klingt, im echten Leben in Ihrem Explorationsteam Wirklichkeit werden kann, haben wir zwei gute Nachrichten für Sie:
Erstens: Psychologische Sicherheit kann bewusst entwickelt und gefördert werden.
Zweitens: Das ist einfacher als Sie jetzt vielleicht vermuten. Wöchentliche kleine “Anstupser” können schon sehr viel bewirken. Eine zwei-minütige Wertschätzungsdusche für jedes Teammitglied, ein regelmäßiges Verbundenheits-Review im Team oder – einfacher geht es nun wirklich nicht! – eine Strichliste für Redebeiträge sind nur drei Beispiele. Weitere Inspiration und konkrete Anleitung dazu finden Sie hier: www.psych-safety.org

Natürlich teilen auch wir unsere Tipps und Erfahrungen mit Ihnen. Schreiben Sie uns mit Ihren Fragen – und gerne auch mit Anekdoten aus Ihrem Alltag im Innovationsdschungel – unter dschungel@five-is.com

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Von Plantagenmanagern und jungen Wilden im Innovationsdschungel

In unseren ersten beiden Dschungelgeschichten (Latte MacchiatoU-Bahn) wurde klar, dass die frühe Innovationsphase einem wilden Dschungel gleicht, in dem wir uns nicht auf die im Großstadtleben gewohnte Infrastruktur verlassen können. Entscheidende Fragen sind daher: Wer soll sich auf die Abenteuerreise in die Wildnis der frühen Innovationsphase begeben? Und was brauchen Teams, um sich darin erfolgreich zu bewegen? 

„Wenn du schnell gehen willst, geh allein. Wenn du weit kommen willst, geh gemeinsam mit anderen,“ sagt ein afrikanisches Sprichwort. Schön und gut, aber mit wie vielen? Je größer das Expeditionsteam, desto mehr Ausrüstung und Proviant braucht es und desto langsamer kommt es voran. Ganz alleine losziehen scheint auch keine gute Idee zu sein. Idealerweise richtet sich die Größe des Teams nach der Größe des Vorhabens. Das klingt zunächst schlüssig, doch zeigt die Innovationspraxis hier bereits die ersten Fallstricke. Aufgrund von praktischen Erwägungen (“Ressourcen sparen”) oder irrigen Pauschalannahmen (“kleine Teams sind agiler”) werden mitunter drei Tapfere damit beauftragt, eine Möglichkeit zu finden, eine komplette Industrie zu revolutionieren – einer Herkulesaufgabe, die der Erkundung des gesamten Amazonasgebiets gleichkommt!  

Hier das rechte Maß zu finden ist nicht einfach. Wer seine Strategie von “exploit the existing” – also der bestmöglichen Nutzung des Bestehenden – zu “explore the unknown” – der Erkundung des Unbekannten – ändert, muss sein Denken öffnen und gleichzeitig eine Handhabe für die überwältigende Zahl der Möglichkeiten finden. Bei einer Explorationsreise helfen Karten und grob eingezeichnete Gebiete. In der Innovations-Frühphase kann man Suchfelder abstecken: Bereiche, in denen sich – durchaus auch mehrere kleinere – Teams auf Erkundungstour begeben. 

Es kommt aber nicht nur auf die Größe des Teams an, sondern auch auf die Zusammensetzung. Ein Expeditionstrupp, der ausschließlich aus erfahrenen Managern von Bananenplantagen besteht, wird es genauso schwer haben im Dschungel der Unsicherheit erfolgreich zu sein, wie eine Gruppe wilder junger Abenteuerlustiger, die sich bisher nur im Hochseilgarten ausgetobt haben. Die Plantagenmanager wurden ausgewählt, weil sie jahrzehntelange Erfahrung darin haben, sich die Natur untertan zu machen und ihr möglichst große Erträge zu entlocken. Da Bananen in tropischen Gefilden wachsen, hält man die Bananenexperten für ausreichend akklimatisiert an den Regenwald. Die jungen Wilden haben mit Enthusiasmus und visionären Plänen überzeugt. Und schließlich wissen sie, wie man sich von Baum zu Baum schwingt. Zwar nur mit Sicherheitsharnisch und auf vorgezogenen Trassen, aber immerhin!  

Im tropischen Regenwald genauso wie in der Innovationsfrühphase lauern gefährliche Fallen auf derartige Teams. Freudige Neugierde von jungen Berufsanfängern gepaart mit kühnem Wagemut á la “Wir springen da jetzt rein, was soll schon schief gehen?” oder “Klar kann man das essen!” ist sicher manchen nicht gut bekommen. Da ist ein Ausgleich mit Wissen von erfahrenen Managern wie “Diese Pflanze ist giftig, sofort mit der Machete plattmachen!” auf jeden Fall ratsam. Doch auch die Bananen-Veteranen haben ihre Schwierigkeiten, sind sie es doch gewöhnt, jeden Wildwuchs als Bedrohung zu betrachten. Die Standardlösung zum Umgang mit toxischen Pflanzen auf der Plantage muss im natürlichen Habitat des Gewächses nicht unbedingt die richtige sein. Vielleicht hat das Gift ja ungeahnte heilende Wirkungen? Vielleicht hätte man abwarten sollen, bis die Staude Früchte trägt, die bei richtiger Zubereitung extrem nahrhaft sind und das Überleben sichern? Vielleicht hielt die Pflanze den Abenteurern weitaus gefährlichere Raubtiere vom Leib? Da fehlt dann wiederum die Offenheit, sich unerwartete Möglichkeiten vorstellen zu können. Am besten geeignet erscheint also ein vielseitiges Team, in welchem Erfahrung und Wagemut, etwas Neues kennenzulernen, zusammenkommen.  

Die Vielseitigkeit nährt sich aber auch aus unterschiedlichen Begabungen, welche die Expeditionsteilnehmer mitbringen: da ist zum Beispiel die Sprachtalentierte, die in kürzester Zeit die Sprache der Einheimischen versteht und spricht, sodass die Abenteurer von ihnen lernen können. Auch profitiert das Team vom Einfühlsamen, der immer weiß, wie es den Teammitgliedern geht und was sie brauchen – und der abends am Lagerfeuer die Mundharmonika auspackt. Die Bastlerin experimentiert mit dem, was sie findet, und erschafft daraus Nützliches wie Wäscheklammern aus Zweigen und Schalen aus Schildkrötenpanzern. Und dann gibt es noch den mit dem scharfen Blick, der im fleckigen Grün des Urwalds jedes noch so gut getarnte Detail mühelos erspäht und die Gruppe darauf aufmerksam macht. 

Mit einem solchen Team steht der erfolgreichen Exploration des Innovations-Dschungels nichts mehr im Wege, oder? „Doch“, wirft da Google ein, ein ganz wichtiger Aspekt fehlt noch … 

Was ein Innovationsdschungel-Expeditionsteam besonders erfolgreich macht, können Sie in unserer nächsten Dschungelgeschichte lesen.

Erfahrung und unkonventionelles Herangehen sind gleichermaßen wichtig im Innovations-Dschungel. Wir freuen uns, wenn Sie beides mit uns teilen. Schreiben Sie Ihre Geschichte ins five is Dschungelbuch: dschungel@five-is.com

  1. 2. März

    […] Das richtige Team für die Expedition hatten wir bereits in der letzten Dschungelgeschichte (Plantagenmanager und junge Wilde) zusammengesetzt. Wir wollten es schon auf den Weg schicken, als uns siedend heiß einfiel, dass […]

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Ein Gate mit Identitätskrise: „ich möchte viel mehr als ein Meilenstein sein“

Unlängst durften wir den Stage-Gate Prozess eines internationalen Konzerns in Augenschein nehmen. Aufgefallen ist uns gleich die Bezeichnung der Gates: M20, M50, etc. Das M stand in diesem Fall für Meilenstein. Als wir uns so ein Gate genauer ansahen, diagnostizierten wir eine schwere Identitätskrise …

Zunächst aber: was ist ein Meilenstein?
Im römischen Reich markierten 2-3 Meter hohe steinerne Meilensteine an den Straßen die Entfernung zu Rom. Anhand der Meilensteine konnten Reisende den Fortschritt ihrer Reise verfolgen.

Im modernen Projektmanagement haben die Meilensteine (wenn auch nicht mehr in Stein gemeisselt) immer noch eine ähnliche Funktion. Das Projektteam überprüft an einem Meilenstein das Erreichen eines „Etappenziels“.

Hier konnte unser betrachtetes Gate noch gut mit. Es markiert den Abschluss eines Stages und zeigt somit den Fortschritt des Projekts an. Mit der positiven Beantwortung der Frage „Wurden alle Aufgaben der vorangegangenen Phase in ausreichender Qualität erfüllt?“ wäre der Meilenstein passiert.

Für ein Gate ist dies aber gerade mal die Voraussetzung, um zwei nach vorne gerichtete Entscheidungen zu fällen:

1. Ist das Projekt nach wie vor attraktiv genug, um in die nächste Phase zu investieren?

2. Sind die notwendigen Ressourcen für die nächste Phase verfügbar, sodass wir das Projekt zügig vorantreiben können?

Erst mit der Beantwortung dieser zwei Fragen ist dafür gesorgt, dass an den Gates alle schwachen (manchmal auch mittelmäßigen) Projekte gestoppt werden, um ausreichend Ressourcen in die Top-Projekte investieren zu können. Diese danken dies dann mit schnellerer Durchlaufzeit und besserer Termintreue.

Das Gate mit Identitätskrise war tatsächlich zu einem Meilenstein verkümmert. Wir werden ihm nun eine Qi-Therapie angedeihen lassen, sodass es seine Stärken als Gate wiederfindet und seine wichtige Aufgabe im Neuproduktprozess wahrnehmen kann.

 

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Gatemeetings gehören professionell moderiert!

Neuprodukt-Entwicklung funktioniert am besten im Zusammenspiel unterschiedlicher Abteilungen (F&E, Produktmanagement, Produktion, etc.). Am Gate treffen somit unterschiedliche Perspektiven, Kenntnisstände und Interessen aufeinander.

Um das Gatemeeting effizient und auf den Punkt zu gestalten und dennoch alle wichtigen entscheidungsrelevanten Aspekte des Projekts besprechen zu können, hat es sich bewährt einen Moderator für das Gate einzusetzen.

Worauf kommt es bei der Moderation eines Gatemeetings an?

Es gibt ein paar offensichtliche Aspekte, die bei der Moderation berücksichtigt werden sollten, wie z.B.

  • Alle Teilnehmer kennen den Zweck des Meetings.
  • Es ist klar, worüber (z.B. Ressourcen für nächste Phase) entschieden wird.
  • Jeder im Gatemeeting kennt seine Rolle – Teilnehmer ohne spezifische Rolle gehören nicht ins Gate.

Schon herausfordernder ist die Aufgabe, technische Diskussionen bis zu einem gewissen Grad zuzulassen, sie aber nicht ausschweifen zu lassen. Schließlich geht es um eine Investitions-, und keine technische Richtungsentscheidung. Das richtige Maß ist hier Fingerspitzengefühl. Wenn ich mir als Moderator nicht sicher bin, ob eine Vertiefung noch hilfreich ist, frage ich oft direkt die Gatekeeper, ob ein tieferes Eintauchen in ein Thema für die Investitionsentscheidung wirklich notwendig ist.

Die Königsdisziplin in der Moderation ist, den Austausch zwischen den Gatekeepern als Auftraggeber und dem Projektteam als verantwortliche Projektumsetzer beiderseits aktiv und konstruktiv zu halten. Diktieren die Gatekeeper zu viel und das Projektteam fühlt sich „zurechtgewiesen“, fördert dies wohl kaum selbstverantwortliches und unternehmerisches Verhalten bei den Team-Mitgliedern. Lehnen sich die Gatekeeper nur zurück und lassen sich durch das Projektteam „bespaßen“, um am Ende ohne eingehende Auseinandersetzung das Projekt durchzuwinken, fragt sich das Projektteam zurecht, wozu der Aufwand eines Gates betrieben wird.

Voraussetzung guter Gatemeetings ist also echtes Interesse und gründliche Auseinandersetzung aller Beteiligten. Wenn dieses von einer Seite fehlt, stelle ich als Moderator durchaus auch in den Raum, ob dieses Projekt wirklich das Beste ist, was wir mit den geplanten Ressourcen tun können.

Wie ist deine Erfahrung mit Gatemeeting-Moderation? Wie professionell werden die Gatemeetings in deinem Unternehmen moderiert? Worauf kommt es dabei deiner Meinung nach an?

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Erlebt: Kill-Entscheidung im Gate

Es war eine Idee mit Aufbruchs-Charakter. Wir hatten eine Ertragslogik gefunden, die Margen jenseits jener des Commodity-Marktes ermöglichen sollte. Das Projektteam war aufgeregt, das Management noch mehr.

Gate 1 wurde im Sturm genommen. Es folgte die Scoping-Phase, in der vor allem Hypothesen zum Markt, aber auch zur technischen Machbarkeit geklärt werden sollten. Etwa 30 Personentage waren dafür veranschlagt. Und das Projektteam machte einen sehr guten Job!

Gate 2 wurde mit Spannung erwartet. Nur bekamen die Gatekeeper nicht das zu hören, was sie gerne gehört hätten. Das Team hatte festgestellt, dass eine der Basishypothesen hinsichtlich Anwendung beim Kunden falsch war. Dadurch brach ein Großteil der Argumentation für den Einsatz des Produkts in sich zusammen. Die Empfehlung des Projektteams: KILL.

Doch die Gatekeeper wollten die Idee nicht so einfach aufgeben. Sie suchten nach Wegen, das Projekt am Leben zu halten, und wollten noch die eine oder andere Studie in Auftrag geben. An der falschen Basishypothese hätten die Studienergebnisse aber auch nichts geändert.

Schließlich fanden die Gatekeeper nach eingehender Beleuchtung der Sachlage und mit etwas Unterstützung des Moderators gemeinsam zu einer Kill-Entscheidung.

In der Retrospektive zum Gate hat mich die Aussage eines Vice Presidents überrascht: „Dieses Meeting – mit seinen 60 Minuten – war eines der effizientesten, die ich in den letzten 20 Jahren erlebt habe. Alle relevanten Informationen verfügbar, alle Entscheider an einem Tisch und ein klares Prozedere.“

Wie sehen eure Erfahrungen mit Kill-Entscheidungen an Gates aus?

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Welche Linie… äh Liane führt zur Breakthrough-Innovation?

Städtereisen sind für Viele etwas Wunderbares. Im Reiseführer lassen sich beliebte Sehenswürdigkeiten nachschlagen, wir können entscheiden, welche wir uns ansehen wollen, und vorab überlegen, in welcher Reihenfolge wir sie besuchen. Der Weg dorthin ist meist leicht herauszufinden und einfach zu bewältigen. Wer in Manhattan das Empire State Building besuchen möchte, fährt mit der U-Bahn zur Station Herald Square in der 34. Straße. Gegebenenfalls muss man umsteigen, aber auch dabei ist alles bestens ausgeschildert. Von der Haltestelle sind es dann nur wenige Schritte zum weltberühmten Gebäude. Wer stattdessen lieber etwas von der Stadt sehen möchte, kann sich zu Fuß auf den Weg machen und entlang der rechtwinklig angeordneten Straßen den Weg finden. Auch hierbei kann nicht viel schief gehen – schließlich ist das ikonische Hochhaus weithin sichtbar und kann kaum verfehlt werden. In jedem Fall sind sowohl das Ziel als auch der Weg dorthin klar, und dank der Fahrpläne und Google Maps lässt sich sogar zuverlässig abschätzen, wie lange es bis zur Ankunft dauert.

Auch wenn gelegentlich vom „Großstadtdschungel“ gesprochen wird, ist ein Abenteuerurlaub doch der komplette Gegenentwurf dazu. Hier ist jetzt kein geführter Tages­ausflug gemeint oder der Aufent­halt im „naturnahen Resort“, sondern ein echter Survival-Trip in die Wildnis. Der ist geprägt von Entdeckung, Überraschungen und Improvisation und dem Überwinden von Hindernis­sen. Dort gibt es weder menschen­gemachte moderne Sehens­würdig­keiten noch Straßen noch ein U-Bahn-Netz. Jeden, der das annimmt, würden wir milde belächeln – das kann nur ein „Großstadttourist“ sein.

Selbstverständlich ist keine der beiden Urlaubsvorlieben oder Vorgehensweisen besser als die andere. Es kommt darauf an, dass das Vorgehen zur Umgebung passt, in der wir uns bewegen. Übertragen auf den Innovationsprozess bedeutet das, dass sowohl der zielorientiert-strukturierte Angang als auch die explorativ-offene Herangehensweise gleichermaßen ihre Berechtigung haben – je nachdem, wo man sich befindet und was man vorhat.

Die Entwicklung eines Erweiterungsprodukts oder eines Me-Too-Angebots ähnelt eher einem Städtetrip. Das Ziel ist klar definiert und bekanntermaßen beliebt. Die nötige Infrastruktur für einen planbaren Durchlauf der Entwicklung ist bereits geschaffen. Der Prozess hat fixe Meilensteine, die nacheinander angesteuert werden, quasi nach Fahrplan.

Wenn es hingegen um die Entwicklung eines neuen, spannenden und begeisternden Angebots geht, dann funktioniert davon nichts mehr. Der Such- und Findeprozess gestaltet sich vielmehr wie eine Expedition in den Dschungel: einen fruchtbaren unübersichtlichen Urwald voller verborgener Schätze, in dem aber auch Gefahren lauern, und wo Irrwege plötzlich an unüberwindbaren Schluchten enden können.

Nur wenige geborene Abenteurer stürzen sich begeistert in so eine Reise. Für die Meisten ist es ein großer Schritt aus ihrer Komfortzone. Klare Strukturen dagegen geben Sicherheit und sind eher die gewohnte Umgebung. Da kann schon mal die Versuchung entstehen, möglichst schnell im Urwald Schneisen zu schlagen und Wege anzulegen. Abgesehen davon, dass das gar nicht so einfach ist wie es sich der gemeine Städter vorstellt, ist es auch meist nur bedingt sinnvoll. Zum einen birgt es die Gefahr, dass wir eine vorhandene Straße nehmen, weil es bequemer ist, ohne uns zu fragen, ob sie auch wirklich dahin führt, wo wir hinwollen. Zum anderen zerstören die Schneisen genau das Ökosystem, das die spannende Vielfalt hervorbringt.

Auch im Kontext von Innovation wird inzwischen häufig von „Ökosystemen“ gesprochen. Das lässt schon erahnen, dass es sich dabei um eine komplexe Angelegenheit handelt. Beim Umgang damit dominieren allerdings dann doch immer wieder althergebrachte Muster oder vorschnelle, nur vermeintlich logische Schlussfolgerungen. „Damit haben wir uns schon beschäftigt, da ist nichts für uns drin,“ hört man beispielsweise. Hat da jemand im Reiseführer geblättert und Wildnis-Sehenswürdigkeiten gesucht? Oder gab es tatsächlich eine Expedition in den unberührten Regenwald? Falls ja, hat das dichte Unterholz die Orientierung behindert, sodass vor lauter Bäumen der Urwald nicht mehr erkennbar war? Oder wurde zur besseren Navigation sogar teilweise abgeholzt? Dann sollte es nicht weiter verwundern, dass da „nichts“ mehr war.

Ganz klar, nicht jeder steht auf den Nervenkitzel einer Expedition in völlig fremdem und unerschlossenem Terrain. Das gilt auch für viele Unternehmen. Übersichtlichkeit, Klarheit und Strukturen erleichtern das Vorankommen im Alltag doch ungemein. Ein Ziel, wie beispielsweise „Lasst uns mit Feature x den Lifecycle von Produkt y verlängern!“ vermittelt die Illusion von Klarheit und Sicherheit. Das mögen wir. Fokussierte Ziele laden zum analytisch-logischen Denken ein. Allzu oft führen sie aber auch dazu, dass wir nicht mehr nach links und rechts schauen, und dass der Fokus zum Tunnelblick wird.

Formuliert man hingegen als Ausgangspunkt eines Innovationsprozesses ein Anliegen wie „Wie können wir unsere Kunden aus Kundensegment z überraschen und begeistern?“, dann liegt es näher, sich lösungsoffen auf die Suche zu machen und mit lateralem Denken kreative, neuartige Ideen zu ermöglichen.

Wer sich auf dem vermeintlichen Weg zur begeisternden nächsten Innovation im klimatisierten U-Bahnabteil findet und beim Blick aus dem Fenster nur noch einen schwarzen Tunnel sieht, kann sich ziemlich sicher sein, dass die Endstation nicht „Elefantenbaum“ heißt – und schon gar nicht „Breakthrough-Innovation“.

Um etwas Neues zu entdecken, muss man gelegentlich den Tropenhelm aufsetzen, die derben Stiefel schnüren, den Survivalrucksack schultern und sich mit der Machete auf den Weg durch das Gestrüpp machen. Das ist aufregend und unbequem, und der Ausgang ist ungewiss. Spannung und Begeisterung mischen sich mit Erschöpfung und gelegentlich einem flauen Gefühl in der Magengegend. Wer all das spürt, ist mit großer Wahrscheinlichkeit auf dem richtigen Weg.

Aus Abenteuern entstehen spannende Geschichten. Erzählen wir sie und lernen wir voneinander! Haben Sie schon einmal eine Expedition in den Innovationsdschungel unternommen? Welche Survival-Tricks haben Sie dabei entdeckt?  –> Teilen Sie sie mit uns und wirken Sie mit am five is Dschungelbuch unter dschungel@five-is.com

  1. 22. November

    […] unseren ersten beiden Dschungelgeschichten (Latte Macchiato, U-Bahn) wurde klar, dass die frühe Innovationsphase einem wilden Dschungel gleicht, in dem wir uns nicht […]

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Nach dem ROI einer Idee fragen ist wie beim Kaffeestrauch einen Latte Macchiato bestellen

Für viele eine vertraute Szene: Morgens auf dem Weg zur Arbeit schnappt man sich noch schnell beim Lieblings-Coffeeshop ein koffeinhaltiges Heißgetränk als Treibstoff für die Vormittagsmeetings. Nicht nur in Pandemiezeiten ist es ein Segen, dass man nach weniger als zwei Minuten mit einem perfekt geschäumten Latte in der Hand den Laden schon wieder verlassen kann. Das Stadtleben hat eben durchaus Vorzüge, nicht wahr?

Lassen Sie uns mal kurz dorthin reisen, wo der Kaffee wächst, in den süd­amerikani­schen Regenwald. Statt Straßenlärm singen unbekannte Vögel, Affen schreien in den Bäumen, es ist tropisch warm. Würde sich dort jemand vor einen Kaffeestrauch stellen und einen Latte Macchiato bestellen? Am besten noch mit laktosefreier Milch? – Die Vorstellung mutet absurd an. Wer macht denn sowas?!

So abwegig dieser Gedanke scheint, er ist gar nicht so weit entfernt von einer verbreiteten Praxis. Nehmen wir mal an, Sie sitzen jetzt mit Ihren heißgeliebten Milch­schaumgetränk im ersten Meeting des Tages. Es ist die monatliche Ideen­bewer­tung, bei der ein Team von Experten aus F&E, Produktmanagement, Produktion und Vertrieb die neu eingegangenen Ideen diskutiert. Sieben potentielle Innovationen stehen auf der Liste. Zwei werden gleich verworfen mit dem Hinweis, „haben wir schon dreimal abgelehnt, passt nicht zur Strategie“. Bei ein paar weiteren Ideen entspinnt sich eine heftige Diskussion, was denn eigentlich damit gemeint sein könnte, und man einigt sich darauf, dass die Ideengeber da nochmal “Fleisch an den Knochen” bringen sollen.

Die nächste Idee ist schon deutlich klarer beschrieben. Es geht um eine App, mit der die Kunden zum ersten Mal endlich ihr XY nicht nur definieren, sondern auch gleich ein passendes Produkt dafür konfigurieren können. Es ist plötzlich so ehrfürchtig still im Raum, dass man eine Stecknadel fallen hören könnte.

“Wow!”, bricht der Produktmanager das Schweigen, “Das wäre ja der Hammer, damit gewinnen wir mit einem Schlag alle User, die schon seit Jahren mit Z kämpfen!” Doch die Freude währt nicht lange. Die Supply-Chain-Expertin im Team gibt zu bedenken, dass der Logistik-Aufwand dahinter nicht unterschätzt werden dürfe, und der Vertriebskollege wirft ein, dass man diese App ja wohl gratis anbieten müsse, wo läge denn daher der direkte Mehrwert für uns? Man kommt überein, dass das wohl eine tolle Idee sein könnte, aber der Ideengeber doch zunächst auf jeden Fall noch eine Rentabilitätsrechnung für diesen Service liefern muss, damit man überhaupt beurteilen könne, ob sich die Investition lohnt.

Ob es den Beteiligten nun bewusst ist, oder nicht – hier wurde gerade beim Kaffeestrauch ein Latte Macchiato bestellt. Mit laktosefreier Milch, selbstverständlich. Das Risiko für Bauchgrummeln will schließlich niemand eingehen.

Stünde man im Regenwald vor dem Strauch mit den roten Kaffeekirschen, wäre sonnenklar, dass von hier bis zum laktosefreien Latte Macchiato um 3,90 EUR noch ein sehr weiter Weg zu überwinden ist: So stolz man ist, dass man überhaupt die richtige Pflanze identifiziert hat, geht es doch dann erst richtig los. Zunächst einmal muss herausgefunden werden, wie die Bohnen richtig zu ernten sind. Sobald das geschafft ist, steht man vor der nächsten Herausforderung. Müssen die nicht geröstet werden? Herrje, dazu braucht man ein Feuer. Auch das noch. Wie geht das eigentlich ohne Streichhölzer?

Auch was danach kommt, lässt sich erahnen. Selbst wenn die Hürde des Röstens und Mahlens genommen ist, wenn Wasser und ein Gefäß gefunden sind, um eine wohlriechende schwarze Brühe herzustellen, dann bleibt immer noch der Milchschaum als schier unerreichbar. Können Kühe im Dschungel überleben? Und wie bekommt man die Milch laktosefrei? Vielleicht muss für das MVP auch erstmal eine Ziege herhalten, die man sich von den Einheimischen ausleiht. Einige Experimente später weiß man dann wahrscheinlich, dass das Schaumschlagen erst ganz zum Schluss dran ist. Wenn der engagierte Schaumschläger zu früh aktiv wird, ist der ganze Schaum schon wieder in sich zusammengefallen, bis man ihn braucht.

Wer oben noch geschmunzelt hat, dem ist das Lachen mittlerweile wahrscheinlich vergangen. Und so geht es wohl auch dem armen Ideengeber. Er soll das benötigte Investment und den Umsatz präzise abschätzen und auch gleich in eine zeitliche Projektion bringen, denn ohne eine Aussicht auf baldiges Break-Even wird das Ganze gar nicht angepackt. Dazu braucht er selbstredend Klarheit über die Zielgruppe und deren Prozesse, um die Wirtschaftlichkeit aus Kundensicht einschätzen zu können. Er muss sowohl die Entwicklungskosten als auch sämtliche anderen Kosten bis zum Markeintritt zuverlässig vorhersagen, ohne zu wissen, welche denn die geeignetste Technologie für die Umsetzung des neuen Service ist. Natürlich soll er nicht nur ein fertiges Businessmodell aus dem Ärmel schütteln, sondern auch für den prognostizierten Deckungsbeitrag der ersten fünf Jahre geradestehen. An seiner Stelle würden die meisten sich erst einmal einen doppelten Espresso gönnen oder gleich verzweifelt den Kopf auf die Tischplatte schlagen.

Jetzt, wo langsam klar wird, dass die frühe Innovationsphase eher einem Dschungel ähnelt als dem Großstadtleben, ist auch unübersehbar, dass gewohnte Verhaltensweisen uns hier nicht weiterbringen – ja geradezu absurd wirken. Ein schneller Durchmarsch in frisch geputzten Lederschuhen ist vollkommen illusorisch. Stattdessen gilt es hier, sich von Problem zu Problem und von Lösung zu Lösung zu hangeln. Wenn man sich traut, im richtigen Moment das Großstadtverhalten aufzugeben und statt dessen von den Affen im Regenwald zu lernen, behält man in den Baumwipfeln die Orientierung und kann jederzeit neu über den nächsten Schritt entscheiden.

Der lange Weg zum verkaufbaren Neuprodukt gestaltet sich doch zu schwierig? Vielleicht erstmal innehalten, eine Banane essen und die Aussicht genießen. Wer weiß, was man dabei alles entdeckt, oder wer auf der Bananenschale ausrutscht und einen Schlüssel zur nächsten Lösung liefert.

Falls Sie bis hierher gelesen haben: herzlich willkommen im Dschungel!

Sie möchten tiefer vordringen?
→ Freuen Sie sich auf weitere Dschungelgeschichten von five is. Fortsetzung folgt.

Sie selbst haben auch ein Erlebnis aus der frühen Innovationsphase, wo Sie dachten, Sie sind im Urwald, und wo gewohntes Verhalten Sie nicht weitergebracht hat? Was hat Ihnen da geholfen?
→ Teilen Sie es mit uns und wirken Sie mit am five is Dschungelbuch unter dschungel@five-is.com

  1. 22. November

    […] unseren ersten beiden Dschungelgeschichten (Latte Macchiato, U-Bahn) wurde klar, dass die frühe Innovationsphase einem wilden Dschungel gleicht, in dem wir […]

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Hybride Agile-Stage-Gate Prozesse im Kommen

Das Institut für Technische Produktentwicklung der Universität der Bundeswehr München veröffentlicht seit 5 Jahren Studien zur Nutzung agiler Methoden in der Entwicklung physischer Produkte. Die aktuelle Studie (2020) zeigt, dass die Anzahl der hybriden Produktentwicklungsprojekte auf Kosten der rein agilen als auch klassischen Projektabwicklung deutlich zugenommen hat, und zwar um fast 70 Prozentpunkte.

Der Trend weist also in Richtung hybride Prozesse, welche die besten Aspekte aus Stage-Gate System und agiler Produktentwicklung miteinander verbinden. Es ist noch zu früh, um eine spezifische Ausprägung des hybriden agile Stage-Gate als Best Practice auszurufen. Führende Unternehmen haben inzwischen 5-7 Jahre Erfahrung mit der Umsetzung hybrider Neuproduktentwicklungs-Projekte und den entsprechenden Prozessen gesammelt. Die Erkenntnisse und Praktiken nähern sich zunehmend an. Prof. Robert G. Cooper („Vater“ des klassischen Stage-Gate-Prozesses) hat gemeinsam mit five is innovation die

  • Ergebnisse aktueller Studien,
  • Erkenntnisse führender Unternehmen (z.B. Tetrapak, Lego, Honeywell und viele mehr) und
  • Erfahrungen hunderter Teilnehmer von Seminaren und Workshops zu diesem Thema

ausgewertet und den aktuellen Stand der Agile-Stage-Gate-Praxis in einem Artikel veröffentlicht.

Hier finden Sie den Artikel.

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