Agiles Projektmanagement ist in der Software-Entwicklung bereits Standard und gewinnt auch in der Entwicklung von innovativen physischen Produkten und Dienstleistungen rasch an Bedeutung. Es steht die Frage im Raum, was genau unter agilem Projektmanagement verstanden wird und wodurch es sich von klassischem Projektmanagement unterscheidet.

Neben einigen – vielleicht für Manche überraschenden – Gemeinsamkeiten gibt es einen zentralen Unterschied: Klassisches und agiles Projektmanagement gehen von einem unterschiedlichen Grundverständnis der Projektsteuerung aus.

Zunächst zu den Gemeinsamkeiten: Sowohl im klassischem Projektmanagement im Rahmen eines Stage-Gate® Prozesses als auch im agilen Projektmanagement (wie z.B. SCRUM) gehören folgende Prinzipien zu den Best Practices:

  • schnelles Einholen von Kundenfeedback z.B. mit einfachen Prototypen
  • intensive, Disziplinen übergreifende Zusammenarbeit innerhalb des Projektteams
  • ausreichend Zeit und Konzentration der Teammitglieder für das Projekt
  • Projektpläne, die an aktuelle Gegebenheiten bzw. Erfordernisse angepasst werden

Obwohl es diesbezüglich also keine bedeutenden Unterschiede zwischen den Projekt­management­methoden gibt, beobachten wir derzeit in der Praxis, dass die agil gemanagten Projekte (meist Pilotprojekte, um die Methodik auszuprobieren) eine höhere Aufmerksamkeit genießen. Dies führt zu besserer Ressourcenausstattung und höherer Disziplin in der Umsetzung dieser Projekte. Nicht überraschend werden dadurch bessere und schnellere Ergebnisse erzielt.

Nun zum zentralen Unterschied:

  • Im klassischen Projektmanagement werden SMARTe Ziele für das Projekt bzw. die Projektphase definiert. Für den Pfad zur Zielerreichung werden Arbeitspakete mit Ressourcenbedarf und erwarteter Durchlaufzeit geplant. Wurden im Plan Aufwände unterschätzt oder zwingt Unvorhergesehenes zu Änderungen, wird zumeist bei Budget und/oder Termin nachjustiert, die Ziele bleiben unverändert.
  • Anders ist das Verständnis beim agilen Projektmanagement: Hier wird für das Projekt bzw. einzelne Etappen (Sprints) ein fixer Ressourcen- und Zeitrahmen definiert. Der in Form einer Produktvision formulierte Projektauftrag gibt Orientierung, aber es bleibt offen, welche Teil-Ergebnisse wann und wie erreicht werden sollen und können. Somit kann das Team wesentlich flexibler und schnell auf neue, möglicherweise richtungsändernde Erkenntnisse reagieren.

Vergleich klassisches und agiles Projektmanagement

Was bedeutet dies nun für den Innovationsprozess?

In einem klassischen Stage-Gate-Prozess stellen die Deliverables für das nächstfolgende Gate die zu erreichenden Mindestziele für eine Projektphase dar. An diesen Stage-Zielen wird typischerweise festgehalten, auch wenn dies Verzögerungen und Budgetüberschreitungen mit sich bringt. Entscheidungen über die nächste Projektphase werden getroffen, sobald einigermaßen vollständige Entscheidungsgrundlagen vorliegen oder eine Krise im Projekt auftritt.

Beim agilen Vorgehen wird ein definiertes Team mit erheblichem Ressourcen-Commitment für einen fest definierten Zeitrahmen, z.B. einen Sprint von 2 Wochen, beauftragt möglichst viel Projektfortschritt zu erreichen. Für diesen Sprint nimmt sich das Team konkrete Ergebnisse vor, auf die es hinarbeitet. Der Sprint endet in jedem Fall zum festgelegten Zeitpunkt. Dann werden auf Basis der Resultate die nächsten zu erreichenden Ergebnisse geplant.

Typischerweise haben Unternehmen Innovationsprojekte mit unterschiedlichem Innovationsgrad in der Pipeline – von kleinen Produktverbesserungen bis zu radikalen Innovationen. Erstere finden meist in einem relativ stabilen und bekannten Projektumfeld statt: sowohl die Zielkunden als auch der Markt sind bekannt, die technischen Neuerungen sind überschaubar. Letztere können sich in einer ungewissen Projektumgebung bewegen: Der Markt ist neu, es gab noch wenig Kontakt zu den Zielkunden, möglicherweise hat das Unternehmen noch kaum Erfahrung mit den potenziell eingesetzten Technologien.

In einem stabilen und bekannten Projektumfeld funktioniert klassisches Projektmanagement ausgezeichnet und sehr effizient. Das zu lösende Problem ist bekannt, die Ziele für das Projekt können SMART formuliert werden, die zielführenden Aktivitäten werden geplant und mit Ressourcen versehen. Die Projektleitung steuert das Projekt mit Hilfe der 3 Kenngrößen: Budget, Zeit und Qualität.

Vergleich klassisches und agiles Projektumfeld

Bei Projekten in einem ungewissen Projektumfeld ist oft noch nicht einmal das zu lösende „Problem“ bekannt. Somit gestaltet es sich auch schwierig, ein konkretes Ziel für Projektphasen geschweige denn für das gesamte Projekt zu formulieren. Das Vorgehen des Projektteams in einem solchen Fall besteht aus iterativen Lernzyklen: es wird etwas entwickelt, dies mit Zielkunden getestet und aus dem Feedback gelernt. Die Erkenntnisse des einen Lernzyklus führen dann direkt in den nächsten. Bei einem solchen Vorgehen ist eine Projektabwicklung mit klassischem Projektmanagement sehr herausfordernd. Agiles Projektmanagement hingegen scheint hierfür geradezu prädestiniert. Lernzyklen werden in Sprints getaktet. Das Projektteam stellt damit sicher, dass es sukzessive und mit einer hohen Geschwindigkeit neue Erkenntnisse gewinnt und Unsicherheiten reduziert, bis smarte Ziele für die Produktentwicklung definiert werden können.

Das bedeutet, dass sich klassisches und agiles Projektmanagement in der Neuproduktentwicklung ergänzen und je nach Projekttyp, Entwicklungsphase und dem damit verbundenen Projektumfeld zum Einsatz kommen.

Sie finden hier eine der ersten Veröffentlichungen zum Thema Agile-Stage-Gate Hybrid von Prof. Robert G. Cooper.

Wie klassisches und agiles Projektmanagement im Rahmen eines Stage-Gate® Prozesses zusammen funktionieren können, erfahren Sie direkt vom Erfinder von Stage-Gate, Prof. Robert G. Cooper, im Seminar „Beyond Stage-Gate: Combine the benefits of Agile Development with your Stage-Gate idea-to-launch system″ am 17. und 18. Oktober 2016 in Darmstadt

Detaillierte Informationen zum Seminar finden Sie hier.

Am 19. Oktober ergänzt Prof. Cooper seine Ausführungen zu Beyond Stage-Gate® um das brennende Thema „Innovation and Technology Strategy“ – ebenfalls in Darmstadt. Nähere Informationen zu diesem Seminar finden Sie hier.