Welchen Beitrag zum Erfolg Ihrer Innovationsaktivitäten leisten Sie als Führungskraft?

Evaluieren Sie Innovationsprojekte und fokussieren Sie die Ressourcen auf wenige Projekte? Überprüfen Sie regelmäßig, ob die Projektteams auf dem richtigen Weg sind? Schützen Sie Ihre Mitarbeiter vor Querschüssen und störenden Ablenkungen aus der Organisation?

Möglicherweise fällt es auch in Ihre Verantwortlichkeit, das Innovationssystem Ihres Unternehmens up-to-date zu halten. In diesem Fall haben Sie sicher mitverfolgt, dass es in den letzten Jahren im Innovationsmanagement wesentliche Neuerungen gegeben hat: Agile Development, Design Thinking, Effectuation, Corporate Startup sind nur einige der Schlagworte.

Was zunächst wie eine einfach anzuwendende Methodik (z.B. Design Thinking) aussieht, entpuppt sich bei näherem Hinsehen und Ausprobieren als Revolution der bisherigen Innovationspraxis. Im geschützten Umfeld eines Pilotprojekts erzielt die neue Methode möglicherweise vielversprechende Ergebnisse. Beim Ausrollen auf die gesamte Organisation stellen die Verantwortlichen dann fest, dass sich angefangen vom Vokabular, über Abläufe, Verantwortlichkeiten, interne Kommunikationswege, Rollenverständnisse bis zur gelebten Kultur einiges mehr ändern muss.

Auch oder insbesondere die Rolle der Führungskräfte ändert sich mit den neuen Ansätzen im Innovationsmanagement! Nicht zuletzt deshalb, weil sich die Rolle der Projekt-Umsetzer ändert. Mehr als je zuvor wird von den Kern-Projektteams unternehmerisches Denken und Handeln, Begeisterung und Herzblut für das Projekt und die Übernahme von Verantwortung gefordert. Einige Ansätze fordern gar den Aufbau temporärer Organisationseinheiten, die eigenverantwortlich über einen längeren Zeitraum Produktprogramme erfolgreich betreiben.

Vom Projektmitarbeiter zum Intrapreneur

Ein Kern-Projektteam besteht aus 3-5 Personen aus unterschiedlichen, für die erfolgreiche Umsetzung notwendigen Disziplinen. Dieses Kern-Projektteam ist für die Projektumsetzung verantwortlich. Dies bedeutet, dass jedes einzelne Teammitglied die Verantwortung für den Erfolg des gesamten Projekts trägt, also auch für jene Aspekte, die nicht im jeweiligen Fachbereich liegen. Dadurch setzt sich beispielsweise der Entwickler intensiv mit der Positionierung eines neuen Produkts am Markt auseinander und steht hinter dieser. Umgekehrt interessiert sich auch der Produktmanager für die technischen Aspekte des Projekts.

Vom Kern-Projektteam wird erwartet, ein Projekt im Sinne des Unternehmens umzusetzen. Dies beinhaltet auch, den Wertbeitrag des Projekts für das Unternehmen zu kennen, es in Hinblick auf Qualität, Ressourcen und Zeit zu optimieren und das Projekt auch nach außen hin entsprechend zu vertreten. Beinahe alle modernen Innovationsansätze empfehlen intensive, frühe und fortlaufende Interaktion mit der Zielgruppe. Neben der Bedürfnisforschung werden Lösungskonzepte, dysfunktionale Mock-ups, Funktionsmodelle, Prototypen, etc. mit dem Kunden geteilt, um frühes, möglichst konkretes Feedback zu erhalten. Berechtigterweise führen Führungskräfte hierzu Bedenken auf, wie z.B.

  • Beim Kunden werden Erwartungen geweckt, die ggf. später nicht gehalten werden können (z.B. wenn ein Projekt abgebrochen wird).
  • Die Wahrscheinlichkeit steigt, dass der Wettbewerb von den Projekten und deren Inhalte Kenntnis erlangt und entsprechend früher darauf reagieren kann.
  • Die patentrechtliche Schützbarkeit kann durch so ein Vorgehen massiv gestört, wenn nicht sogar zunichte gemacht werden.

Von den verantwortlichen Projektteams wird jedenfalls erwartet, dass sie diese Aspekte in ihre Entscheidungen einbeziehen und den für das Unternehmen jeweils optimalen Pfad wählen.

Damit das Kern-Projektteam die Verantwortung überhaupt übernehmen kann, ist es Voraussetzung, dass die jeweiligen Führungskräfte die Verantwortung dem Projektteam übertragen. Dies wiederum erfolgt nur dann, wenn klare, geteilte Ziele definiert werden und die Führungskräfte die Teams auch tatsächlich eigenständig arbeiten und im Rahmen der Vereinbarung Entscheidungen treffen lassen. Erhält ein Projektteam zwar die Budget- und Zeit-Verantwortung, nicht jedoch die Befugnis, die inhaltlichen Entscheidungen selbst zu treffen (z.B. Auswahl des Technologiepfads, Positionierung des Produkts), wird das Projektteam nie wirklich die Verantwortung übernehmen können.

Neben dem „Arbeiten-Lassen“ während des Projekts ist es wichtig, der Verantwortung eines Teams auch nach erfolgter Markteinführung eines neuen Produkts oder Services Rechnung zu tragen. Im Falle eines Projekterfolgs sollte das Team den Erfolg auskosten und die Lorbeeren ernten dürfen. Sollte das neue Produkt hinter den Erwartungen und Prognosen zurückliegen, liegt es weiterhin am Projektteam, das neue Produkt anzuschieben und damit den Erfolg zu suchen. Sollte sich dieser dennoch nicht einstellen, liegt es auch in der Verantwortung des Teams, auszuarbeiten, welche Aspekte des Projekts in Zukunft besser gemacht werden können und sollen.

Dem Ansatz „Lean Startup“ folgend kann dem Projektteam nicht nur die Verantwortung für ein einzelnes Produkt, sondern die Entwicklung und Vermarktung von aufeinander folgenden Produkt-Releases (Minimum Viable Products) übertragen werden. In diesem Fall wird das Projekt zu einem Programm, das einerseits eine ganze Palette von ähnlichen, sich ergänzenden oder aufeinander abgestimmten Produkten enthält oder andererseits eine ständige intensive Weiterentwicklung in Form regelmäßiger Updates und Upgrades enthält. Solche Programm-Management-Organisationen werden dann zwar wie bereits beschrieben gemanagt, kennen jedoch per se kein „Projekt“-Ende. Es handelt sich dann um interne Ventures bzw. kleine Business Units.

Agile Development fordert und fördert die Selbstorganisation von Teams. Die Führungskraft soll das Team möglichst eigenständig arbeiten lassen und nicht während der Projektphasen (Sprints) „die Dynamik der Teamarbeit stören“. In einem System, das bisher nach dem Prinzip „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“ gelebt hat, ist dies eine bedeutende Herausforderung – und zwar für beide Seiten. Projektteams, die unter dieser Prämisse gearbeitet haben, haben erfahren, dass etwaige Fehler durch die Führungskräfte aufgedeckt und abgefangen werden. Wir haben beobachtet, dass sich unter diesen Voraussetzungen die Projektteams oft weniger kritisch und intensiv mit dem Projekt auseinander setzen. Kritische Entscheidungen werden – wie gelernt – „nach oben“ eskaliert.

Die Führungskräfte eines solchen Systems sehen sich ihrerseits in der Rolle, die Fehler der Projektteams aufzudecken und zu korrigieren. Hierzu ist eine enge „Betreuung“ der Projekte und häufiges, regelmäßiges Rapportieren des Projektteams notwendig. Die Führungskraft hält die Kontrolle über das Projekt und trägt schlussendlich auch die Verantwortung dafür.

Die neue Führungskraft

Gehen wir davon aus, dass die Führungskräfte willens und auch fähig sind, das entsprechende Umfeld für diese neuen Innovationsansätze zu schaffen. Die Projektteams arbeiten eigenständig, selbstverantwortlich und agieren im Sinne des Unternehmens. Welche Rolle bleibt den Führungskräften dann noch?

Zunächst bleibt die herkömmliche Rolle der Führungskraft als Gatekeeper bestehen. Das ebenfalls interdisziplinäre Gatekeeper-Team entscheidet gemeinsam, welche Projekte umgesetzt werden sollen. Entsprechend den strategischen Prioritäten ordnen sie den Projekten Ressourcen zu und vereinbaren mit jedem Projektteams die Ziele und den Rahmen für das Projekt.

Die neuen Innovationsansätze verändern die Gatekeeper-Rolle insofern, als dass sich die Gatekeeper stärker auf die Projektteams verlassen bzw. die Fähigkeit entwickeln müssen, die Belastbarkeit der Entscheidungsgrundlagen (Deliverables) einzuschätzen und sie im richtigen Maß zu hinterfragen. Die Aufgabe des Gatekeepers wird insbesondere bei größeren, riskanteren Projekten zunehmend jener eines Venture Capitalists ähneln.

Eine wichtige Rolle der Führungskraft besteht im Anleiten der fachlichen und persönlichen Weiterentwicklung eines Mitarbeiters. Wenn die Führungskraft dem Imperativ des „Arbeiten-lassens“ folgt, wird sie weniger Berührungspunkte mit dem Mitarbeiter haben. Ein fachlich-persönliches Führen wird damit schwieriger.

Damit die Mitglieder eines Kern-Projektteams auch wirklich Verantwortung für das Projekt übernehmen können, müssen diese bedeutende Anteile ihrer Arbeitszeit dafür einsetzen dürfen. Im agilen Entwickeln gibt es die Forderung, dass die Kern-Projektmitglieder ausschließlich an diesem einen Projekt arbeiten (und kein zusätzliches Tagesgeschäft haben).

Es gibt Vorschläge, dass der Projektleiter diese Führungsfunktion mit übernehmen soll. Da der Projektleiter typischerweise jedoch nicht die fachliche Expertise des Projektmitarbeiters teilt, ist ein fachliches Anleiten durch den Projektleiter so gut wie nicht möglich.

Das fachliche Führen von Mitarbeitern bleibt sinnvollerweise beim fachlichen Vorgesetzen – allerdings mit einem etwas anderen Selbstverständnis: die Führungskraft wird zum fachlichem Coach mit Übersicht und viel persönlicher Erfahrung. Inwieweit die fachliche Führungskraft auch als persönlicher Mentor angesehen wird, hängt wohl von der zwischenmenschlichen Beziehung ab. Manche Unternehmen haben zur Förderung der persönlichen Weiterentwicklung ein Sponsoren-System eingeführt. Persönliche Sponsoren bzw. Mentoren können dann auch fachübergreifend gewählt werden.

Insbesondere die direkten Führungskräfte der Projektmitarbeiter werden künftig noch wesentlich stärker als heute die Verantwortung für die Rekrutierung und Weiterbildung eigenständiger, selbstverantwortlicher und fachlich starker Projektmitarbeiter übernehmen. Sie werden weniger im operativen Projektgeschäft mitwirken, als vielmehr strategisch die zukünftigen Anforderungen hinsichtlich Ressourcen und Know-how managen.

Bedürfnisse der jungen Fachkräfte – Generation Y / Millennials

Die Art und Weise, wie in Zukunft geführt wird, hängt nicht zuletzt auch von den Personen ab, die sich führen lassen wollen. Aktuell wachsen mit der „Generation Y (Millennials)“ (Jahrgänge 1980 bis 2000) Arbeitnehmer mit einem neuen Arbeitsstil heran. Laut einer Studie der Privat-Hochschule Göttingen zeichnen sich die Mitglieder dieser Gruppe durch folgende Merkmale aus:

  • Die Arbeit muss Spaß machen Millennials sind lernbereit und arbeitswillig – aber die Forderung nach Privatleben ist sehr ausgeprägt.
  • Millennials sind flexibel und anpassungsbereit, bevorzugen eine selbständige und unabhängige Arbeitsweise
  • Führungspositionen sind nicht mehr so wichtig, eher Fachlaufbahnen und projektbezogenes Arbeiten

Diese Charakteristika passen unbestritten besser zu den neuen Innovationsansätzen als zu einem klassischen Führungs- und Kontroll-Verständnis.

Zusammenfassung

Neue Methoden im Innovationsmanagement bringen Rollenwechsel sowohl für Projektmitarbeiter als auch für deren fachliche Führungskräfte mit sich. In welcher Form und mit welchem Selbstverständnis in Zukunft Mitarbeiter geführt werden, hängt von der Intensität der Adaption von neuen Methoden, der Unternehmenskultur und von den Anforderungen und Bedürfnissen der jungen Fachkräfte ab.