Klaus S. ist Gruppenleiter in der F&E eines mittelständischen Maschinenbauers. Er ist einer der Besten in seinem Fach. Dennoch ist sein Vorgesetzter mit ihm nicht zufrieden. Eine Kennzahl macht Sorgen: die Neuprodukt-Projekte, an denen Klaus beteiligt ist, haben eine durchschnittliche Time-to-Market von 48 Monaten. Aus einer Benchmarking-Studie weiß Klaus‘ Vorgesetzter, dass ein wichtiger Wettbewerber im Durchschnitt nur etwa 36 Monate für eine Neuproduktentwicklung braucht. Die Zielvereinbarung für Klaus ist somit schnell definiert: seine Projekte müssen schneller werden, um mindestens 25%.

Klaus sieht sich nun mit einer Reihe von Herausforderungen konfrontiert:

  • In seinen Augen arbeitet er bislang schon so gut und schnell wie möglich. Um deutlich schneller zu werden, müsste er die Qualität seiner Arbeit deutlich zurückschrauben. Aber das liegt gar nicht in seinem Naturell und wohl auch nicht im Interesse des Unternehmens.
  • Einige der Projekte erfordern neue technische Lösungen, für welche die eine oder andere Lernschleife notwendig sein wird. Da ist es schwierig einen Zeitplan zu erstellen, auf den man sich verlassen kann. Ob die Entwicklungszeit verkürzt werden kann, lässt sich im Vorhinein nicht sagen.
  • Grundsätzlich könnte er mehr Aufgaben an sein Team delegieren. Seine Teammitglieder sind jedoch alle noch ziemlich unerfahren, und Klaus hat ein besseres Gefühl, wenn er deren Projektarbeit überprüft. Das kostet Zeit.

Wir sind eingeladen, Klaus und seinen Vorgesetzten bei der Zielerreichung zu unterstützen. Zunächst sehen wir uns die Neuprodukt-Projektlandschaft an. Im Projektportfolio finden wir 62 aktive Projekte. In 4 davon ist Klaus Projektleiter und verantwortlicher Entwickler, in 4 weiteren arbeitet er als Projektteammitglied als verantwortlicher Entwickler mit. Er hat also in „seinen“ Projekten 12 Rollen zu erfüllen: 4 x Projektleitung, 8 x verantwortlicher Entwickler.

Die nächste Frage ist, wie viel seiner Arbeitszeit Klaus für die Projektarbeit überhaupt nutzen kann. Aktuell verwendet Klaus etwa

  • 8 Stunden pro Woche für Führungsaufgaben: Sein Team umfasst 10 Personen. Jeden Montagvormittag findet ein Team-Jour fix von 3 Stunden statt. Dazu kommen Einzelgespräche mit seinen Teammitgliedern zu deren Projekten.
  • 4 Stunden pro Woche für interne Kommunikation und Administration: Klaus hat seinerseits ein wöchentliches Treffen mit seinem Vorgesetzten (ca. 1 Stunde). Darüber hinaus erhält er regelmäßig Anfragen vom Produktmanagement, sowie aus der Produktion, in denen er um seine Erfahrung und Einschätzung gebeten wird.
  • etwa 2 Stunden pro Woche für das Studium von Fachliteratur und neuen Patenten.
  • 10 Tage im Jahr für den Besuch von Fachmessen und Symposien (inkl. Reisezeiten).

Bei einer 40-Stunden-Woche bleiben Klaus pro Woche etwa 24 Stunden Arbeitszeit für die Neuprodukt-Projekte. Dies entspricht etwa 2 Stunden pro Woche pro Rolle, die er in diesen Projekten einnimmt.

Sowohl Klaus als auch seinem Vorgesetzten wird schnell klar, dass Klaus in viel zu viele Projekte eingebunden ist. Und die Tendenz geht in die falsche Richtung: es werden laufend sehr interessante neue Ideen und Projekte eingebracht und auch gestartet.

Gemeinsam mit der Geschäftsleitung führen wir ein Gating-System sowie ein Innovations-Portfolio-Management ein:

  • Jedes Neuproduktprojekt durchläuft zu definierten Reifegraden (z.B. Business Case definiert, Entwicklung abgeschlossen) harte Gates. An diesen entscheidet ein Gatekeeper-Gremium, ob es für das Unternehmen eine gute Investition ist, weiter in dieses Projekt zu investieren.
    Zusätzlich wird am Gate geprüft, ob die notwendigen Ressourcen für die nächste Projektphase verfügbar sind. Ist dies nicht ausreichend gewährleistet, wird das Projekt „on hold“ gesetzt.
  • 4 Mal im Jahr analysiert und priorisiert der Führungskreis (Geschäftsleitung und Abteilungsleiter) das Portfolio der Neuprodukt-Projekte. Hierbei achtet dieser speziell auf folgende Aspekte: das Projekt-Portfolio
    • bildet die (Innovations-)Strategie des Unternehmens ab
    • maximiert den Wert des Neuprodukt-Portfolios
    • sorgt für eine gute Balance von Erfolgspotenzial und Risiken der Projekte
    • stellt sicher, dass nicht zu viele Projekte parallel laufen und Kapazitätsengpässe, Überlastungen und Verzögerungen vermieden werden.

Damit diese beiden Instrumente Wirkung zeigen, ist es notwendig, dass die Entscheider mit der richtigen Haltung ans Priorisieren und Ressourcen-Freigeben herangehen. Eine Führungskraft, die zu jeder Idee und jedem Projekt „JA“ sagt, bremst Neuproduktprojekte und überfordert seine Mitarbeiter.
Es steht außer Frage, dass das „Nein-Sagen“ zu Ideen bzw. laufenden Projekten eine herausfordernde Aufgabe ist. Selbstverständlich gibt es unterstützende Werkzeuge, wie z.B. eine Scorecard oder auch die Affektbilanz. Schlussendlich muss jeder Entscheider aber verinnerlicht haben, das nur ein fokussiertes Investieren in die richtigen Ideen und Projekte schnelles und erfolgreiches Entwickeln neuer Produkte ermöglicht.

In den folgenden eineinhalb Jahren wurde in Klaus‘ Unternehmen die Anzahl der aktiven Projekte auf 41 reduziert. Klaus hat aktuell noch 8 aktive Rollen in Projekten (Projektleitung und verantwortliche Entwicklung in 4 Projekten) – der Zielwert für Klaus liegt bei 5 aktiven Rollen.

Eine durchschnittliche Time-to-Market konnte für die Projekte von Klaus noch nicht ermittelt werden. Die beobachteten Projektphasen wurden im Vergleich zu ähnlichen Projekten deutlich beschleunigt.
In vergleichbaren Organisationen haben wir Verkürzungen der Time-to-Market von 30 bis 50 Prozent beobachtet.

Was es beim Aufbau eines Gating-Systems zu beachten gilt, und wie ein Best-Practice Innovations-Portfolio-Management aussieht, erfahren Sie direkt vom Best-Seller-Autor Prof. Robert G. Cooper im Seminar „Winning at New Products“ am