High Tech and Deep Heart: Erfolg durch Leidenschaft

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Innovation
Die Zeiten sind vorbei, in denen Innovationserfolg hauptsächlich dem besonderen Enthusiasmus mutiger
und beharrlicher Pioniere zugeschrieben wurde, die mit dem Feuer der Leidenschaft für die Verwirklichung
einer Idee kämpften. Heute kennen wir jene Faktoren, die über die Innovationskraft von Unternehmen und den
Erfolg oder Misserfolg neuer Produkte und Technologien entscheiden. Die meisten Unternehmen haben
Managementsysteme eingeführt, um ihre Innovationsaktivitäten gezielt und systematisch zu steuern.
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elche Rolle spielt also für erfolgreiche Innovationen die Leidenschaft – im Sinn von Hingabe, Verlan-
gen, Liebe zum Tun oder des so genannten „Flow“
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als besonderem Glücksgefühl, das wir empfinden, wenn wir
voll und ganz in unserem Schaffen aufgehen, kreativ sind und lustvoll Herausragendes leisten? Welchen Ein-
fluss haben die persönliche Begeisterung der Menschen im Unternehmen und der „Faktor Herz“?
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iebe macht blind oder „all zu viel ist ungesund“, könnte eine erste These dazu lauten. Nichts ist
gefährlicher als eine leidenschaftlich verfolgte Idee – wenn es die einzige ist, die man hat. Erfolgreiche
Innovatoren produzieren eine große Menge an Ideen! Steve Jobs ist ein gutes Beispiel dafür. Er gilt als
Enthusiast. Mit seiner Leidenschaft für Innovation und Design schrieb er einige der größten Erfolgs-
geschichten der IT-Welt und brachte Apple den Ruf eines der innovativsten Unternehmen der Welt ein.
Er hat aber auch Misserfolge gehabt: Apple III, Lisa, Mac cube waren Flops, die das Unternehmen viel
Geld gekostet haben. Die Kunst ist also, wenig gewinnbringende oder technisch nicht realisierbare
Ideen frühzeitig zu erkennen und sich – leidenschaftslos – von ihnen zu verabschieden.
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enn wir also unser emotionales Engagement auf dem Spielfeld der Produkt- und Technologie-
Innovation nicht all zu fest mit dem Inhalt unserer Ideen und Projekte verbinden sollen, worin lohnt es
sich dann unsere Leidenschaft zu legen?
BE
GEI
STERTE KUNDEN ALS OBJEKTE DER BE
GIERDE
„Unsere Aufgabe ist es, dem Kunden etwas zu geben, was er haben möchte, von dem er aber nie
wusste, dass er es suchte und von dem er sagt, dass er es schon immer wollte, wenn er es bekommt.”
formuliert Dr. Andreas Schön, Innovationsmanager der BMW Group.
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ie gelingt es aber, diese „Wow!“-
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rodukte hervorzubringen, mit denen wir den entscheidenden Vorsprung im Innovationswettlauf gewin-
nen? Es erfordert nicht nur intelligente Methoden der Marktforschung sondern könnte durchaus etwas
mit Leidenschaft zu tun haben, wenn wir tief in die Seele der Kunden eintauchen und auch deren
geheime Wünsche und Sehnsüchte aufspüren.
Häufig mündet F&E lediglich in marginalen Verbesserungen von Funktionalitäten, die ohnehin
schon nahezu ausgereift sind. Neuerungen sind nur „nice-to-have“, Produktinnovationen leicht kopier-
bar. Der Fortschritt in Hi-Tec-Disziplinen verführt mitunter zum Tüfteln an Lösungen, die sich letztlich als
over-engineered und viel zu teuer erweisen. Die Frage nach dem Nutzen können wir daher nicht häufig und
nicht eindringlich genug stellen. Dabei geht es – bei aller Liebe – nicht nur um den Kundennutzen sondern
auch um den Nutzen für unser Unternehmen: Aus welchem Grund sollen wir in diese Entwicklung investieren?
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elche finanziellen Ergebnisse sind zu erwarten? Was gewinnen wir qualitativ für unser Unternehmen, für die
Menschen darin, für das soziale und ökologische Umfeld – in naher und in ferner Zukunft?
Erfolgreiche Innovatoren unterscheiden sich von weniger erfolgreichen durch die Sorgfalt und Profes-
sionalität, mit der sie die Aufgaben im Rahmen von Entwicklungsprojekten ausführen. Wie gründlich und voll-
ständig erforschen sie Markt- und Machbarkeitsfragen tatsächlich? Wie fundiert und durchdacht sind Konzepte
und Umsetzungsszenarien wirklich? Wie intensiv beschäftigt sich das Team mit Widersprüchen, Informations-
lücken und möglichen Stolpersteinen im Projekt? Welche Techniken werden angewandt, um noch bessere Ideen
Innovation ohne Leidenschaft funktioniert nicht, könnte man meinen. Angelika Dreher,
Expertin für Innovationsmanagement, beleuchtet diesen Mythos und kommt zum Fazit:
Auch hier kommt es darauf an, das Herz am rechten Fleck zu haben.
High Tech and Deep Heart
Erfolg durch Leidenschaft
Dr. Angelika Dreher
ist geschäftsführende
Gesellschafterin der
five i`s innovation
consulting gmbh
(Salzburg – Dornbirn).
Ihre berufliche Lei-
denschaft widmet sie
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ührungskräften und
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eams, die ihre Inno-
v
ationsaktivitäten auf
Erfolg trimmen wollen.
Eine private Leiden-
schaft gilt dem
Segeln.
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„UNSERE AUFGABE IST ES,
DEM KUNDEN ET
WAS ZU
GEBEN,
WA
S ER HABEN MÖCHTE, VON DEM ER ABER
NI
E WUSSTE, DASS ER ES SUCHTE.“
(A
ND
R
EAS SCHÖN,
BMW-INNOVATIONSMANAGER)
Innovation
IN
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zu finden und überlegene Lösungen zu kreieren? Die Qualität der Projektarbeit und der eingesetzten Method-
en bringt immer wieder jene Quäntchen Erfolg, die letztlich dazu führen, dass manche Unternehmen ihren
Innovationsvorsprung ständig ausbauen.
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heoretisch einleuchtend, nicht wahr? Auch empirisch deutet alles darauf hin, dass hohe Markt- und
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undenorientierung, ganzheitliche Businessplanung, Professionalität der Innovationsmethoden und Sorgfalt in
der Anwendung wesentlich zum Innovationserfolg beitragen. Die Praxis sieht anders aus: Obwohl 80 Prozent
der Konzernchefs Innovation zu den Top-3 Themen auf ihrer Prioritätenliste zählen, beklagt mehr als die Hälfte,
dass F&E zu sehr nach „innen“ orientiert sei. Zwei Drittel sind mit der Qualität und Geschwindigkeit der Inno-
vationen im eigenen Unternehmen nicht zufrieden.
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arum nicht? Dass es so häufig an der Umsetzung der bekannten Erfolgsfaktoren mangelt, könnte
etwas mit den Rahmenbedingungen zu tun haben, unter denen Leidenschaft gedeiht. Robert G. Cooper, einer
der führenden Experten für Innovationsmanagement, führt dazu zwei Beobachtungen ins Treffen
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HERE IS NO PART-TIME PASSION:
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eidenschaft braucht ein gewisses Maß an Zeit und Raum. Wenn wir sie nur zwischen Tür und Angel, mitten in
der Alltagshektik oder alle paar Monate ein Mal pflegen, besteht die Gefahr, dass sie erlischt.
Ressourcen und Aufmerksamkeit sind ein weiterer Schlüssel zum Innovationserfolg. Dies bedeutet nicht
unbedingt, das F&E-Budget zu erhöhen und mehr Zeit in Innovationsaktivitäten zu investieren. Testen Sie ein
mal was geschieht, wenn Sie zu Beginn einer wichtigen Phase eines Neuproduktprojekts alle für die Entwick-
lung und Vermarktung der Innovation relevanten Know how Träger einen Tag gemeinsam an einem Ort verbrin-
gen, die Handys abschalten und als Team zusammen arbeiten lassen. Am Vormittag definieren sie gemeinsam,
was genau entwickelt werden soll, für wen genau und mit welchem Nutzen für die Zielgruppen und für das
eigene Unternehmen. Der Nachmittag wird der gemeinsamen Projektstrukturierung gewidmet: Erfolgsvoraus-
setzungen, Arbeitspakete, Aktivitätenplan, Zeit- und Ressourcenbedarf, Information, Kommunikation und weit-
ere Projektspielregeln. Höchst wahrscheinlich wird in diesem Projekt zielorientierter, effizienter und
verbindlicher gearbeitet als in anderen. Vielleicht sogar mit Leidenschaft.
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IONATE PLAYERS KEEP SCORE:
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enn uns die Leidenschaft gepackt hat – sei es für das Golf Spielen, den Marathonlauf oder das Regattasegeln
– beginnen wir irgendwann unsere Leistung zu messen. Fast automatisch spornt uns das an, unser Handicap,
unsere Zeit und unsere Platzierung ständig zu verbessern.
Ziele und Erfolgsmessung sind im Innovationsmanagement vieler Unternehmen sträflich unterbelichtet!
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ie viel sollen neue Produkte und Dienstleistungen innerhalb der nächsten drei bis fünf Jahre zum Unter-
nehmenswachstum beitragen? Wie hoch liegt die Latte in bezug auf Anzahl der Neueinführungen pro Jahr,
Ti
me-to-Market oder Return on Investment von Entwicklungsprojekten? In 30 Prozent der Unternehmen wird
der Erfolg der Innovationsaktivitäten nicht gemessen. Jene 70 Prozent, die ihn messen, sind im Durchschnitt
erfolgreicher und generieren mehr Umsatz aus Neuprodukten.
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iteratur: (1) Csikszentmihalyi, M., Das flow-Erlebnis, 8. Aufl., Klett-Cotta, 2000. (2) Vortrag an der Universität St. Gallen,
11.11.2002,
(3) Bain & Company, 2003, (4) Seminar “New Product Leadership”, Wien 28.10.2003, (5) Arthur D Little, Innovation Excellence Stu
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